Beißhemmung
Ich bin nicht mehr die junge Zornig-Wilde.
Nimmt man's genau, dann war ich das noch nie.
Die Male, als ich Zornesworte spie,
verbannten sie mich vom Familienbilde.
Als führte Bitterböses ich im Schilde,
kam's so, dass man den Lapsus nie verzieh.
Man hielt ihn hoch, mir vor und er gedieh.
Vergebens hoffte ich auf Mutters Milde.
Noch heute macht Mich-Wehren mir Beschwerden:
die Stimme dazu fehlt und auch der Mut.
Ein Knebel - unsichtbar - beengt die Kehle.
Ganz tief hinunter in die Schwärze meiner Seele
schluck ich - auch wenn ich's besser weiß - die Wut.
So groß die Angst, ich könnt' verstoßen werden!
Das ist schon interessant wie Beziehungen funktionieren oder malfunktionieren.
Zu meinem Vater(1945) bspw. habe ich keinerlei Bindung, erdulde aber kein destruktives Verhalten. Dann heißt es Selbstbehauptung.
Da ich noch nie „männliche“ Hobbies hatte, war ich ohnehin das Schwarze Schaf der Familie. Anstatt KFZ-Werkstatt-Interesse, Bier trinken, und am besten jeden Tag 12h im Tiefbau für Mindestlohn schuften und ein harter abgebrühter Macho-Typ sein, liebte ich Lyrik, Kunst und Musik und war, so Gott will, nicht belastbar. Das gab Ärger bzw. ich drücke es so aus, ich habe keine positive gemeinsame Erinnerung mit meinem Vater seit ich existiere. Je älter wir wurden, desto mehr hassten wir uns. Ich wurde nie umarmt, kenne keine guten Worte, und Kritik war bereits Lob. Die Lyrik konnte das etwas kompensieren.
Ich hatte vor Jahren einen Unfall und konnte allein nicht mehr hoch. Vater war dabei, ging aber weiter bzw. ließ er mich liegen, mit den Worten „Du kannst noch laufen“ und ignorierte meine Hilferufe. Ich glaube, er wollte, dass ich mir die offene Fraktur reponiere und wieder laufe. Das hinterlässt seltsame Spuren in der Seele eines Sohnes. Er hasst mich. Und ich hasse ihn und jetzt, wo er bald irgendwann abnippelt, bleibt ein großes Gefühl der Befreiung, Ungeduld, Gleichgültigkeit und Angst vor Verlust.
Aber, es nützt nix. Jeder muss sich durch das Leben fädeln und ich denke, dass wir Menschen, solange wir Einfluss auf unseren Willen haben, Gutes aus solche Dingen schöpfen können. Jedenfalls ist die Absicht wichtig.
Wie du siehst, gibt’s Verkorksungen auch in anderen Familien.