IV. Der BER, die Pandemie und ich
Wie planbar ist unser Leben? Ich fürchte, gerade im Großen recht wenig. Zuletzt habe ich es in acht Jahren dreimal erlebt, wie mir rationale Zukunftsplanung durch überraschende Umstände zerschossen wurde.
Mit meinem Lebenspartner wurde Anfang der Zehnerjahre verabredet, dass wir noch einmal umziehen, wieder jeder in seine eigene Wohnung. Aus praktischen Gründen entschieden wir uns für Berlin. Ich machte den Anfang, erwarb etwas Passendes im Nordwesten der Stadt. Anfang 2012 bekam ich die Schlüssel, ließ sanieren und freute mich auf den 3. Juni: geplanter Eröffnungstermin des neuen Großflughafens. Meine Bleibe lag noch in der Einflugschneise des Tegeler Airports, mit sehr hoher Lärmbelastung durch startende wie landende Flugzeuge. Hatte es vor meiner Wahl öffentlich auch nur den leisesten Zweifel am Zeitplan für den Flughafenumzug gegeben? Nein, nirgendwo.
Als sich im Sommer 2012 abzeichnete, dass Tegel noch lange in Betrieb sein würde, mussten wir umplanen. Ich konnte meinem Freund nicht zumuten, auch unter der Lärmglocke zu leben. Für ihn fanden wir etwas Ruhiges im Osten der Stadt, halbwegs zwischen Zentrum und Stadtrand gelegen. (Hier sind bis heute keine größeren Probleme aufgetreten.) Ich selbst versprach, in seiner Umgebung das nächste Dach für mich zu suchen …
… und steuerte damit in die folgende Krise. Als der Neubau mit viel Verzögerung bezugsfertig und ich eingezogen war, stellte sich rasch heraus, wie unbefriedigend die Bauqualität war. Die Baufirma, sie ist nach wie vor gut im Geschäft, nenne ich nicht. Statt mich da schwarzzuärgern …
… plante ich lieber noch einen Umzug. Ich wurde Mitglied einer Genossenschaft, sicherte mir eine bei ihr noch in Bau befindliche Wohnung. Als Einbauküche und Umzugswagen bestellt waren, kamen die ersten Coronameldungen in die Nachrichten. Sie häuften sich, dann stand der Großteil der Stadt still. Auf dem Höhepunkt der ersten Welle der Pandemie, deren Ende nicht absehbar war, hätte ich umziehen sollen. Mir waren die vielen sozialen Kontakte, verbunden mit Umzug und Vermarktung der alten Wohnung, in der Summe zu riskant. Ich machte alle Verträge mit Verlusten rückgängig. Seitdem warte ich auf bessere Zeiten und studiere den Wohnungsmarkt, nur so zu meiner Unterhaltung.
Der BER wird in diesem Herbst endlich in Betrieb gehen. Viel Freude wird man vorerst nicht an ihm haben. Der Staat – Berlin, Brandenburg und der Bund – muss die Flughafengesellschaft auf Jahre hinaus mit gigantischen Summen subventionieren. Allein für 2021 werden gut 600 Millionen Euro fällig. Kein Boden in Sicht, auch kein Fass, nur ein Loch, für Zukunft gehalten. Es drängt sich die Frage auf: Wie zukunftsfähig ist diese Welt überhaupt?