Tagebuch

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Bernd

Foren-Redakteur
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Wörterbucheintrag:


Janusfrage
rhetorisch-diagnostischer Begriff

Eine Janusfrage erlaubt zwei entgegengesetzte Lesarten, zwingt aber zu einer einfachen Antwort. Sie wirkt offen, ist aber strukturell geschlossen. Typisch: Zustimmung kann je nach Vorannahme das Gegenteil bedeuten.

Beispiel: „Haben Sie heute eine andere Meinung zum Klimawandel als vor 10 Jahren?“ → Zustimmung = Verneinung? Bejahung? Die Frage meint, ob ich ihn anerkenne. Oder auch nicht. Aber sie fragt, ob ich meine Meinung geändert habe.

Die Janus-Frage kann auch moralische Aufladung haben:
Haben Sie Ihre Meinung zum Gendern geändert?

Man erwartet hier: Ja.
Und "ja" ist immer korrekt, wenn man genügend alt ist. Denn Gendern spielte vor 20 Jahren noch keine moralische Rolle. Heute spaltet es die Gesellschaft. Jede Seite will, dass die andere sich ändert.

Variante:
"Werden Sie Ihre Meinung zum Gendern ändern?"
Die Antwort wird immer falsch verstanden werden.


Janusverstärker: Rückgekoppeltes NAND-Glied.
[Input A]
├──NAND─┐
┘───<───┘
[Input B]
[Verstärkung]
 
Zuletzt bearbeitet:

Bernd

Foren-Redakteur
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Sehr interessante Diskussionen in der Leselupe zum Sonett.

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Die Traditionen von generativen Gedichten und Werken gehen weit zurück. Bereits in der Kabbala
gibt es eine Vorwegnahme solcher Formen und Buchstabenräder wurden tatsächlich gebaut.

Ich gebe hier das Resultat heutiger Erkenntnisse, KI, deshalb nicht im Werkeforum:

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„Generator jener Zeit“ (bildlich gesprochen)
Ein „Generator“ im kabbalistischen Sinn war nicht eine Maschine, sondern:
  • Buchstabenrad (z. B. Abulafia): ein Kreisdiagramm mit den 22 hebräischen Buchstaben, die mechanisch oder imaginativ permutiert wurden, um neue Verse hervorzubringen.
  • Sefer Jetzira („Buch der Schöpfung“): stellte die hebräischen Buchstaben selbst als Bausteine der Welt dar; man konnte sie „kombinatorisch“ als Textgenerator einsetzen.
  • Mystische Meditation: Rezitation bestimmter Silbenfolgen, die den Bewusstseinszustand ändern sollten.
Man könnte also sagen:
Die kabbalistische Gedichtform ist weniger eine feste Versform als ein poetischer Generator, der aus Buchstaben, Zahlenwerten und göttlichen Namen algorithmisch Verse hervorbringt – ein mittelalterlicher Vorläufer unserer heutigen Textmaschinen.
Das entspricht dem Prinzip des Buchstabenrades: zuerst die Bedeutung, dann die Rotation, dann die mystische Ausdeutung.

Beispiel

Permutationsrad-Gedicht


Permutationsrad-Gedicht mit hebräischen Buchstaben

א
א — Alef
Ein Atem, ein Anfang,
unsichtbar, aber tragend.


ב
ב — Bet
Ein Haus, ein Raum,
der Atem wohnt darin.


ג
ג — Gimel
Ein Schritt, ein Geben,
die Welt geht hinaus.


ד
ד — Dalet
Eine Tür, geöffnet,
führt ins Unendliche.



Permutation


א ב ג ד
ב א ד ג
ג ד א ב
ד ג ב א



Deutung
Die Buchstaben drehen sich,
wie Sterne am Himmel,
und tragen die Namen Gottes
im stillen Lied.

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Hier ist wieder Bernd:
Ich habe etwas geschwankt, ob ich die letzte Strophe mit aufnehme, aber zur Zeit der Kabbala war diese Kunst göttlich.




Das ist eine kleine poetische Simulation: zuerst „entfaltet“ sich jeder Buchstabe mit seiner kabbalistischen Symbolik, dann folgt eine Permutation (Strophe V), und schließlich die Deutung als kosmischer Tanz (Strophe VI).
Es entspricht dem Prinzip des Buchstabenrades: zuerst die Bedeutung, dann die Rotation, dann die mystische Ausdeutung.
 

Bernd

Foren-Redakteur
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Ich habe heute eine neue Immunisierung der Zukunft erfunden. Es ist die Versagensimmunität, zum Beispiel im Klimaschutz.

Die Immunität wird erreicht, indem Naturgesetze durch grammatische oder juristische Gesetze ersetzt werden.

Copilot fasst das so zusammen:

Definition: Versagensimmunität durch semantisches Handeln V2025
Ein diskursives Gerät, das strukturelles oder operatives Scheitern durch sprachliche Modalität, Zielpunktverschiebung und symbolische Handlung immunisiert. Es erzeugt Erfolg, indem Nichterfüllung semantisch neutralisiert und performativ entlastet wird.
Mein Ausgangspunkt war folgende Quelle:

Civey-Umfrage: Sollte sich Deutschland Ihrer Ansicht nach dafür einsetzen, dass die EU das Ziel einer 90-prozentigen Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2040 gegenüber 1990 verbindlich festlegt?

Der Punkt ist: "Festlegen" erfolgt semantisch. In dieser Umfrage sind gleich mehrere Punkte:

An die Stelle von Änderungen tritt Planung, die nach jeder Wahl und zwischenzeitlich geändert werden kann. Denn Papier ist geduldig, und man will oft wiedergewählt werden,
Wenn man einen Zeitpunkt weit hinausschiebt, statt jährliche Planung zu machen, wird man nur einmal versagen. Schiebt man die Ziele auf 2200, wird niemand versagen. Denn die einen sind schon tot, die anderen noch nicht geboren. Je größer die Lücke, desto kleiner das Versagen.
 



 
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