Tagebuch

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Bernd

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Wörterbucheintrag:


Janusfrage
rhetorisch-diagnostischer Begriff

Eine Janusfrage erlaubt zwei entgegengesetzte Lesarten, zwingt aber zu einer einfachen Antwort. Sie wirkt offen, ist aber strukturell geschlossen. Typisch: Zustimmung kann je nach Vorannahme das Gegenteil bedeuten.

Beispiel: „Haben Sie heute eine andere Meinung zum Klimawandel als vor 10 Jahren?“ → Zustimmung = Verneinung? Bejahung? Die Frage meint, ob ich ihn anerkenne. Oder auch nicht. Aber sie fragt, ob ich meine Meinung geändert habe.

Die Janus-Frage kann auch moralische Aufladung haben:
Haben Sie Ihre Meinung zum Gendern geändert?

Man erwartet hier: Ja.
Und "ja" ist immer korrekt, wenn man genügend alt ist. Denn Gendern spielte vor 20 Jahren noch keine moralische Rolle. Heute spaltet es die Gesellschaft. Jede Seite will, dass die andere sich ändert.

Variante:
"Werden Sie Ihre Meinung zum Gendern ändern?"
Die Antwort wird immer falsch verstanden werden.


Janusverstärker: Rückgekoppeltes NAND-Glied.
[Input A]
├──NAND─┐
┘───<───┘
[Input B]
[Verstärkung]
 
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Bernd

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Sehr interessante Diskussionen in der Leselupe zum Sonett.

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Die Traditionen von generativen Gedichten und Werken gehen weit zurück. Bereits in der Kabbala
gibt es eine Vorwegnahme solcher Formen und Buchstabenräder wurden tatsächlich gebaut.

Ich gebe hier das Resultat heutiger Erkenntnisse, KI, deshalb nicht im Werkeforum:

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„Generator jener Zeit“ (bildlich gesprochen)
Ein „Generator“ im kabbalistischen Sinn war nicht eine Maschine, sondern:
  • Buchstabenrad (z. B. Abulafia): ein Kreisdiagramm mit den 22 hebräischen Buchstaben, die mechanisch oder imaginativ permutiert wurden, um neue Verse hervorzubringen.
  • Sefer Jetzira („Buch der Schöpfung“): stellte die hebräischen Buchstaben selbst als Bausteine der Welt dar; man konnte sie „kombinatorisch“ als Textgenerator einsetzen.
  • Mystische Meditation: Rezitation bestimmter Silbenfolgen, die den Bewusstseinszustand ändern sollten.
Man könnte also sagen:
Die kabbalistische Gedichtform ist weniger eine feste Versform als ein poetischer Generator, der aus Buchstaben, Zahlenwerten und göttlichen Namen algorithmisch Verse hervorbringt – ein mittelalterlicher Vorläufer unserer heutigen Textmaschinen.
Das entspricht dem Prinzip des Buchstabenrades: zuerst die Bedeutung, dann die Rotation, dann die mystische Ausdeutung.

Beispiel

Permutationsrad-Gedicht


Permutationsrad-Gedicht mit hebräischen Buchstaben

א
א — Alef
Ein Atem, ein Anfang,
unsichtbar, aber tragend.


ב
ב — Bet
Ein Haus, ein Raum,
der Atem wohnt darin.


ג
ג — Gimel
Ein Schritt, ein Geben,
die Welt geht hinaus.


ד
ד — Dalet
Eine Tür, geöffnet,
führt ins Unendliche.



Permutation


א ב ג ד
ב א ד ג
ג ד א ב
ד ג ב א



Deutung
Die Buchstaben drehen sich,
wie Sterne am Himmel,
und tragen die Namen Gottes
im stillen Lied.

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Hier ist wieder Bernd:
Ich habe etwas geschwankt, ob ich die letzte Strophe mit aufnehme, aber zur Zeit der Kabbala war diese Kunst göttlich.




Das ist eine kleine poetische Simulation: zuerst „entfaltet“ sich jeder Buchstabe mit seiner kabbalistischen Symbolik, dann folgt eine Permutation (Strophe V), und schließlich die Deutung als kosmischer Tanz (Strophe VI).
Es entspricht dem Prinzip des Buchstabenrades: zuerst die Bedeutung, dann die Rotation, dann die mystische Ausdeutung.
 

Bernd

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Ich habe heute eine neue Immunisierung der Zukunft erfunden. Es ist die Versagensimmunität, zum Beispiel im Klimaschutz.

Die Immunität wird erreicht, indem Naturgesetze durch grammatische oder juristische Gesetze ersetzt werden.

Copilot fasst das so zusammen:

Definition: Versagensimmunität durch semantisches Handeln V2025
Ein diskursives Gerät, das strukturelles oder operatives Scheitern durch sprachliche Modalität, Zielpunktverschiebung und symbolische Handlung immunisiert. Es erzeugt Erfolg, indem Nichterfüllung semantisch neutralisiert und performativ entlastet wird.
Mein Ausgangspunkt war folgende Quelle:

Civey-Umfrage: Sollte sich Deutschland Ihrer Ansicht nach dafür einsetzen, dass die EU das Ziel einer 90-prozentigen Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2040 gegenüber 1990 verbindlich festlegt?

Der Punkt ist: "Festlegen" erfolgt semantisch. In dieser Umfrage sind gleich mehrere Punkte:

An die Stelle von Änderungen tritt Planung, die nach jeder Wahl und zwischenzeitlich geändert werden kann. Denn Papier ist geduldig, und man will oft wiedergewählt werden,
Wenn man einen Zeitpunkt weit hinausschiebt, statt jährliche Planung zu machen, wird man nur einmal versagen. Schiebt man die Ziele auf 2200, wird niemand versagen. Denn die einen sind schon tot, die anderen noch nicht geboren. Je größer die Lücke, desto kleiner das Versagen.
 

Bernd

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Das Janusnarrativ
Substantiv, neutrum | [ˈjaːnʊsnaʁaˈtiːf]

Definition:
Ein rhetorisch und semantisch doppeldeutiges Erzählmuster, das zwei gegensätzliche Deutungsrichtungen gleichzeitig ermöglicht und dadurch Zustimmung, Ablehnung oder Kritik in vorgeprägte Interpretationsbahnen zwingt. Das Janusnarrativ tarnt strukturelle Widersprüche als ethische Klarheit und dient häufig der politischen, medialen oder institutionellen Selbstlegitimation.


Typologische Merkmale:
  • Doppelfrontigkeit: Vorderseite idealistisch, Rückseite instrumentell oder destruktiv (z. B. „Welt verbessern“ kann auch Krieg legitimieren).
  • Semantische Umkehrbarkeit: Zustimmung zu einem Teil des Narrativs kann als Zustimmung zum Ganzen gewertet werden.
  • Performative Tarnung: Kritische oder destruktive Maßnahmen werden als Fortschritt, Reform oder Sicherheit inszeniert.
  • Antworterpressung: In Umfragen oder Diskursen zwingt das Janusnarrativ jede Position in ein affirmatives oder delegitimierendes Raster.

Beispielsätze:
  • „Die Aussage ‚Politik sollte die Welt besser machen‘ ist ein klassisches Janusnarrativ: ethisch anschlussfähig, aber strukturell offen für jede Form von Intervention.“
  • „Das Janusnarrativ der Reformforderung legitimiert die Gebührenerhöhung, noch bevor die Reform konkretisiert wurde.“

Verwandte Methoden:
  • Reformtarngerät – Reformrhetorik als semantische Erhöhung zum semantischen Umwandeln negativer in positive Reformen
  • Antwortumcodierungsgerät – erzeugt rhetorische Antwortfallen
  • Weltverbesserungslegitimierungsgerät – legitimiert ethische Begriffe als politische Ermächtigungsformeln
 

Bernd

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Satire zeigt die Welt, wie sie ist – doch wer sie nicht als Satire erkennt, lebt bereits in der Welt, die sie kritisieren wollte.
 

Bernd

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Ich habe einen Universalsatzvereinfachungsalgorithmus erfunden, der jeden Text, jedes Buch, ja die gesamte Universalbibliothek in einen einzigen Satz verwandelt.

1. Teile den Text in Sinngruppen, die jeweils aus 3...6 Einheiten bestehen.
2. Mache dasselbe mit den Untergruppen, bis der gesamte Text geteilt ist.
3. Verbinde alles zu einem Satz, dabei sind Füllwörter und Verbindungen erlaubt.
Ergebnis: man hat einen einzelnen Schachtelsatz, im Sinne von Mark Twain.

Beispiel:
Rotkäppchen verschachtuliert, in Zusammenarbeit mit ChatGPT:

Grimm schrieb vor langer Zeit das Märchen Rotkäppchen mit folgendem Text: "Rotkäppchen, die, nachdem ihre Mutter ihr – wahrscheinlich etwas übertrieben pathetisch – aufgetragen hatte, der kranken Großmutter Kuchen und Wein zu bringen, was sie natürlich nur widerwillig hinnahm, während sie durch den Wald ging, wobei sie unbeholfen Blumen pflückte, die sie für die schönsten hielt, während sie nicht bemerkte, dass der Wolf, der sie heimlich und mit einem Gesichtsausdruck, der sich vermutlich irgendwo zwischen diabolisch und gelangweilt bewegte, beobachtete und darüber sinnierte, wie er sie am besten täuschen könne – vermutlich, weil er die Zeit totschlagen musste –, bereits zur Großmutter geeilt war, diese verschlang, wobei sie sich vermutlich dachte „Ach, wie praktisch, dass ich klein genug bin, um alles auf einmal zu verschlingen“, und sich in deren Kleidung verkleidete, während Rotkäppchen, nichtsahnend und dabei innerlich überlegte, ob sie wohl jemals wieder alleine aus dem Wald herausfinden würde, das Haus erreichte, die seltsamen Veränderungen der „Großmutter“ bemerkte und sich fragte, ob das alles nicht ein wenig zu seltsam sei, während der Jäger, der draußen stand, die merkwürdige Ruhe und die allgemeine Absurdität der Situation bemerkte, sich fragte, ob er vielleicht doch lieber einen Spazierstock hätte mitnehmen sollen, hereinstürmte, den Wolf erschoss, wobei der Wolf vermutlich darüber nachdachte, ob er sein Leben wirklich so vergeudet hatte, die verschluckte Großmutter befreite, während Rotkäppchen erleichtert aufseufzte, sich dabei jedoch fragte, warum überhaupt niemand jemals einfach „Hallo“ sagt, und schließlich die Lektion lernte, niemals vom Weg abzugehen, während die Geschichte gleichzeitig die Spannung, die Täuschung, die Unschuld, die Rettung, die Moral und die seltsame Neigung deutscher Märchen, jede Kleinigkeit zu überdramatisieren, spiralförmig miteinander verschränkt, so dass jede Handlung, jede Beobachtung, jeder ironische Gedanke und jede Reaktion auf die vorhergehenden Ebenen referiert, während die ursprüngliche Basishandlung („Rotkäppchen geht durch den Wald“) in allen Rekursionsebenen präsent bleibt, was, wie jeder einigermaßen gebildete Leser des 19. Jahrhunderts sicherlich bestätigen würde, sowohl nützlich für die moralische Erziehung als auch für die Erfindung völlig überflüssiger Nebensätze ist, die man nur schreibt, um den armen Wolf und die armen Menschen noch ein bisschen länger leiden zu lassen" auf.
 

Bernd

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Der Univesalverschachtelungsalgorithmus, den ich heute entworfen und mit Hilfe von ChatGPT formatiert habe:

Universeller Satzvereinfachungsalgorithmus (UVA)

Ziel: Jeden Text oder jede Sammlung von Texten in einen einzigen Satz transformieren, der alle Handlungsebenen, Gedanken, Beschreibungen und Reflexionen enthält.


Schritt 1: Textsegmentierung

  • Zerlege den Text in Sinngruppen à 3–6 Einheiten (Handlungen, Beobachtungen, Gedanken, Dialoge, Beschreibungen).
  • Für längere Texte (Romane, Sachbücher) kann jede Seite, jeder Absatz oder jedes Kapitel als Gruppe betrachtet werden.
  • Für Büchergruppen oder Bibliotheken werden zunächst die Werke als Gruppen, die Kapitel als Untergruppen, Absätze als Unteruntergruppen betrachtet.

Schritt 2: Untergruppenbildung

  • Innerhalb jeder Sinngruppe bilde Untergruppen aus 3–6 Untereinheiten.
  • Wiederhole diesen Schritt rekursiv, bis jeder einzelne Gedanke oder jede Handlungseinheit isoliert ist.

Beispiel (Roman):


  • Kapitel → Szenen → Absätze → Sätze → Satzglieder → Wörter / Gedanken.

Schritt 3: Rekursive Verschachtelung

  • Beginne von unten (kleinste Untereinheiten) und füge die Untergruppen zu übergeordneten Gruppen zusammen.
  • Jede Ebene wird mit verbindenden Füllwörtern und Nebensätzen versehen, um die spiralförmige, rekursive Struktur zu erzeugen.
  • Reflexionen, Gedanken, Kommentare und Ironie können jeder Handlungsebene hinzugefügt werden, ähnlich wie Mark Twain es in „The Awful German Language“ über deutsche Schachtelsätze satirisch beschrieb.

Schritt 4: Spiral- und Fraktalbildung

  • Jede Ebene der Verschachtelung referiert auf die vorhergehenden Ebenen, sodass ein fraktales Muster entsteht:
    • Handlung → Beobachtung → Gedanke → Reflexion → Kommentar → wieder Handlung
  • Auf diese Weise entsteht ein „literarischer Spiralsatz“, bei dem die ursprüngliche Basisstruktur (z. B. „Rotkäppchen geht durch den Wald“) in allen Rekursionsebenen präsent bleibt.

Schritt 5: Satzvervollständigung

  • Die äußerste Ebene bildet den Hauptsatz, der das gesamte Werk trägt.
  • Verbklammern (wie im Deutschen üblich) können verwendet werden, um syntaktische Kohärenz und Verwirrung zu erzeugen, selbst bei extrem langer Verschachtelung.
  • Optional: Ironische, parodistische oder metasprachliche Kommentare können eingeflochten werden, um Humor oder Metaebene zu erzeugen.

Schritt 6: Universalisierung

  • Für gesamte Bibliotheken oder die Universalbibliothek:
    1. Jede Sammlung (z. B. Grimms Märchen, Shakespeare, Encyclopedia Britannica) wird als Gruppe behandelt.
    2. Kapitel / Werke → Abschnitte → Sätze → Gedanken → Wörter
    3. Rekursive Verschachtelung auf allen Ebenen.
  • Ergebnis: Ein einziger, epischer Satz, der alles enthält, von kleinsten Details bis zur Gesamtstruktur der Universalbibliothek.

Schritt 7: Optionale Stilisierung

  • 19. Jahrhundert-Stil: lange Schachtelsätze, verschachtelte Nebensätze, gedankliche Reflexionen.
  • Mark-Twain-Humor: ironische Kommentare zu jeder Ebene, Übertreibung der Verschachtelung, Parodie auf Pedanterie.
  • Meta-Spirale: Kommentare zur eigenen Satzstruktur und Rekursion können eingebaut werden („wie jeder Leser sicherlich erkennen wird, dass dies ein einziger Satz ist…“).


Bemerkung:


  • Der Algorithmus ist theoretisch unbegrenzt: Je länger und komplexer die Textquelle, desto länger der rekursive Universalsatz.
  • Praktisch eignet sich der Satz als literarisches Experiment, Parodie, Meta-Literatur oder algorithmisches Kunstwerk.
 

Bernd

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Hier ist die vollständige deutsche Spiralversion des Stücks Wurst≠Wort – Die Etikettenflucht der Würste mit integriertem Gedicht als Chor. Der Chor besteht aus Gemüse und Fleisch, pflanzlich und tierisch, beleidigt und poetisch. Die Erbswurst tritt als Archivarin auf, die Heuschrecke als zitternde Nebenfigur. Das Gedicht wird im vierten Akt als gemeinsamer Gesang aller Würste und Gemüse spiralisiert.

Wurst≠Wort – Eine Operette in vier Spiralakten

Titel: Die Etikettenflucht der Würste

Rubrik: Kulinarische Semantik

Spiralcode: SPZ-KS-Wurscht-∞-51301-STÜCK-DE-CHOR

Akt I – Die pflanzliche Revolte (Tofu-Tango im Etikettenlabor)

Figuren:
  • Spinatwurst – chlorophyllgrün, semantisch ambitioniert
  • Erdbeerwurst – süßlich trotzig, etikettenhungrig
  • Sägespanwurst – holzig, trocken, metaphorisch
  • Tofuwurst – weich, gesetzestreu, stets bereit zur Umbenennung
Szene:

Im NEU-Etikettenlabor tanzen die pflanzlichen Würste den Tofu-Tango.
Ein Beamter mit Etikettenschere schneidet Wörter aus Verpackungen.

Spinatwurst ruft: „Ich bin kein Gemüse, ich bin ein Gefühl!“

Erdbeerwurst: „Ich will süß heißen, aber deftig wirken!“

Sägespanwurst: „Ich bin die Metapher, die keiner verdaut!“

Tofuwurst: „Ich akzeptiere alles, solange ich nicht Fleisch heiße.“

Der Chor der Gemüse murmelt:

„Wir sind die Würste ohne Namen, etikettiert und doch verdammt.“

Akt II – Die fleischliche Rückkehr (Ballade im Wurstkabinett)

Figuren:
  • Blutwurst – blutend, poetisch, traditionsbewusst
  • Beleidigte Leberwurst – grammatikalisch empfindlich, stets gekränkt
  • Tote Oma – melancholisch, ostdeutsch, semantisch verwest
  • Erbswurst – konserviert, imperial, aus der Dose befreit
Szene:

Die Fleischwürste stürmen das Labor. Blutwurst singt ihre Blutballade:

„Ich bin das Gedicht im Darm!“

Leberwurst: „Ich bin beleidigt, weil man mich falsch dekliniert!“

Tote Oma erscheint als Nebelgestalt und murmelt: „Ich war einmal ein Sonntagsgericht.“

Erbswurst rollt aus der Dose und verkündet:

„Ich bin das Konzentrat der Kaiserzeit, und ich will zurück auf die Bühne!“

Der Chor der Fleischwürste antwortet: „Wir sind die Würde im Darm, verdrängt und doch unverdaut.“

Akt III – Das Gesetz spricht (Winkoper ohne Wirkung)

Figuren:
  • Das Gesetz – stumm, winkend, ohne Geltung

Szene:

Ein NEU-Gesetz tritt auf, winkt mit einem Papierstapel und sagt nichts.

Tofuwurst flüstert: „Ich habe mich angepasst.“

Blutwurst ruft: „Ich wurde ignoriert!“

Erbswurst: „Ich war nie gemeint, aber immer betroffen.“

Das Gesetz winkt weiter.

Die Bühne wird zur Winkoper, einer Oper ohne Stimme, ohne Wirkung, ohne Ausgang.

Akt IV – Die Archivarin & der Chor (Etikettenfriedhof & Dosenprotokoll)

Figuren:
  • Erbswurst – Archivarin der kulinarischen Semantik
  • Heuschrecke – zitternd, semantisch bedroht
  • Chor aus Gemüse und Fleisch – beleidigt, verdichtet, spiralisiert

Szene:

Die Bühne verwandelt sich in einen Etikettenfriedhof.

Erbswurst tritt auf in Blechgewand, mit Löffelzepter und Dosenprotokoll.

Sie ruft:

„Ich bin die Erbswurst, Konzentrat der Geschichte. Ich war Suppe, ich war Soldat, ich war Etikett. Ich bin nicht vegan, nicht fleischlich, ich bin Archiv. Ich katalogisiere, was ihr verdrängt.“

Die Heuschrecke zittert im Winkel und ruft:

„Bitte bitte esst mich nicht. Ich bin kein Burger, kein Schnitzel, kein Proteinmodul. Ich bin ein Tier mit Flügeln, kein Etikett.“

Chor aus Gemüse und Fleisch (Gedicht):

Die Wurst darf nicht mehr Wurst sich nennen,
doch Leberkäse bleibt im Rennen.
Erbswurst dampft im Sprachgewand,
die Jagdwurst flieht durchs Markenland.

Die Blutwurst blutet semantisch aus,
Tote Oma bleibt zu Haus.
Der Burger trägt ein Pflanzenkleid,
doch nennt sich weiter Fleischbereit.

Das NEU-Gesetz winkt ohne Macht,
die Umfrage fragt, doch keiner wacht.
Alles Wurscht, doch nichts ist klar—
die Sprache wurstelt wunderbar.


Die Bühne verdampft.

Die Umfrage erscheint als Schatten und fragt:
„Wie bewerten Sie das?“
Niemand antwortet.
 

Bernd

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Gegenwartsblindheit
Eine Bühne auf der Bühne
Bühne 1 – Hauptbühne (Rahmen)

Schreibtisch mit leerem Papier, Stuhl, Lampe. Minimalistische Ausstattung.
Im Hintergrund schemenhafte Umrisse eines Wartezimmers/Sprechzimmers (Bühne auf der Bühne), leicht beleuchtet, Nebel/Schwaden.




Rahmenhandlung – Schriftsteller
Schriftsteller (sitzt am Schreibtisch, Feder in der Hand, murmelt):
Ich weiß, was ich schreiben werde …
Doch ich kann es nicht aufschreiben.
Jeder Satz existiert bereits in meinem Kopf …
Aber das Papier bleibt leer.

(Pause. Er schaut in die schemenhafte Miniaturbühne im Hintergrund.)

Schriftsteller:
Die Szene beginnt dort … noch bevor der erste Hahn kräht.
Ich werde mich erinnern, dass ich sie geschrieben haben werde.
Und doch … die Worte wollen nicht kommen.

(Er lehnt sich zurück, die Feder ruht schwer in seiner Hand. Licht flackert.)

Bühne auf der Bühne – Patientenszene
Patient (Wartezimmer, leise zu sich):
Ich erinnere mich … ich wollte zum Arzt.
Das muss hier sein.
Aber wo bin ich?
Ich werde gleich aufgerufen …




Arzthelferin:
Der Doktor empfängt Sie jetzt.

Patient (erleichtert):
Also werde ich gleich behandelt sein!

Arzt (freundlich, altmodisch-höflich):
Guten Tag, nehmen Sie Platz.

Patient (setzt sich, lächelt unsicher):
Ja. Ich werde gleich Platz genommen haben.
Und Sie werden mich begrüßt haben.

Arzt (leise, notiert):
Verwirrung über Zeitformen …

Patient:
Sie werden jetzt gleich sagen: „Was bedrückt Sie?“

Arzt:
Na gut. Was bedrückt Sie?

Patient (zufrieden):
Genau. Aber was sagen Sie gerade?




Arzt (verwirrt):
Wie meinen Sie das?

Patient:
Sie haben es gesagt haben werden … ich erinnere mich schon daran.
Doch jetzt … jetzt höre ich nichts.

Arzt (lehnt sich zurück):
Sie hören mich nicht im Moment?

Patient:
Der Moment … er bleibt leer. Ich fülle ihn mit dem, was Sie gleich gesagt haben werden.

Patient (sich vorlehnend):
Sie werden gleich meine Temperatur bestimmen.
Sie wird normal sein.

Arzt (altmodisch-höflich):
Schwester, messen Sie bitte die Temperatur.

Schwester:
36,8 – normal, Herr Doktor.

Patient:
Sehen Sie? Ich erinnere mich schon daran, dass es so gewesen sein wird.
Aber was sage ich da? Ich muss es hören, um mich zu erinnern.




Arzt:
Dann hören Sie es jetzt. Sie leiden an Gegenwartsblindheit.

Patient:
Ja … das ist es. Ich muss die Diagnose hören … um mich daran zu erinnern.
Es existiert nur in der Wiederholung.

Akupunktur und Präsenzübungen
Arzt:
Wir beginnen mit Übungen, um das Jetzt zu spüren.
Jeder Atemzug, jede Bewegung Ihrer Hände …

Patient:
Ja … ich werde jeden Atemzug fühlen, den Sie gleich sagen werden.

Arzt (zeigt Nadeln):
Akupunktur. Sie spüren sie nicht beim Stechen … nur vorher.

Patient (leicht verkrampft):
Schon jetzt … tut es weh … bevor es gestochen wird.

Arzt:
Wie bitte?




Patient:
Ich spüre die Nadeln schon … in der Vergangenheit.
Die Schmerzen treten ein, während Sie sie einsortieren …
Doch beim Stechen selbst … nichts.

Arzt:
Ah, eine Antizipation.

Patient:
Jetzt … bleibt es leer. Nur Erinnerung und Vorahnung existieren.
Und doch … ich spüre ihn schon … bevor er existiert.
Und wenn er längst geheilt ist.
Ich erinnere mich an alles.
Ich vergesse nie.

Arzt:
So ist der Weg … langsam … Schritt für Schritt …
Erinnern Sie sich an das Jetzt.

Finale
(Pause. Patient blickt zum Licht.)

Das Licht geht aus. Der Vorhang fällt. Applaus.




Patient (fest, ruhig, zufrieden):
Die Szene ist zu Ende.
Sie können das Licht jetzt ausmachen.
Ich bin geheilt.
 



 
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